Hintergrund

Der Keratokonus ist eine zu 84% zwischen 20 und 49 Jahren beginnende Hornhautdegeneration [38] mit meist bilateral (80–85%) kegelförmiger Vorwölbung und stromaler Ausdünnung [20]. Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel. Er erstreckt sich von nur geringem irregulärem Astigmatismus bis zu starker Sehbeeinträchtigung infolge zunehmender Protrusion und subepithelialer Vernarbung. Aufgrund des jungen Alters der Patienten ist diese Erkrankung oft von dramatischer Auswirkung für die weitere Lebensplanung [15]. Die bislang zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten sind nicht sehr ermutigend, da sie die Progression des Keratokonus nicht stoppen können. Somit stellt der Keratokonus, bedingt durch sein fortschreitendes Krankheitsbild, in den letzten 3 Jahrzehnten die häufigste Ursache für eine Keratoplastik dar [19].

Die genaue Ursache der Erkrankung, die zu den biomechanischen Veränderungen führt, ist nach wie vor unklar. Die biomechanischen Eigenschaften der Hornhaut ergeben sich aus dem Kollagengerüst, der Zusammensetzung der Proteoglykane und deren Verbindungen mit den Kollagenfibrillen. Die dreidimensionale Anordnung der kollagenen Lamellen bestimmt die Widerstandskraft der Hornhaut im Wesentlichen mit. Biochemische und immunhistochemische Untersuchungen an den Proteoglykanen der Grundsubstanz weisen auf Unterschiede zwischen der normalen Hornhaut und dem Keratokonus hin [6, 7, 23, 25, 37]. Enzymveränderungen mit erhöhter Expression von lysosomalen und proteolytischen Enzymen [10, 23, 24, 39] sowie vermindertem Gehalt von Proteaseinhibitoren [10, 11] und eine verminderte Anzahl und Dicke [23] sowie veränderte Anordnung der kollagenen Lamellen des Stromas [4, 22] konnten ebenso nachgewiesen werden.

Um dem Prozess der progredienten Verdünnung der Hornhaut und somit der Krankheitsprogression entgegenzuwirken, wurde eine photooxidative Kollagenvernetzung mit Riboflavin/UV-Licht entwickelt. Bei diesem Vernetzungsprozess entstehen zusätzliche kovalente Bindungen zwischen den Kollagenmolekülen, die das Kollagengerüst stabilisieren. An enukleierten Schweineaugen konnte die Zunahme der Festigkeit der Hornhaut und auch die erhöhte Resistenz gegenüber abbauenden Enzymen durch Riboflavin und UVA-Licht nachgewiesen werden [28, 29, 30, 31]. 1998 wurde das erste Mal die Vernetzung an Keratokonuspatienten angewendet und bis heute in unserer Klinik bei 401 weiteren Augen von 277 Patienten (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Anzahl der an der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums C.G. Carus, Dresden, mittels Kollagenvernetzung behandelten Augen seit 1998

Patienten und Methode

In die von der Ethikkommission genehmigten Studie (EK 310 499) wurden Patienten mit progressivem Keratokonus und einer Hornhautdicke größer 400 μm eingeschlossen. Als Progression galt eine Zunahme des maximalen K-Werts um mindestens 1 dpt innerhalb des letzen Jahres vor Behandlung, die Angabe einer Verschlechterung des Visus oder die Notwendigkeit einer neuen Kontaktlinsenanpassung mehr als einmal in den letzen 2 Jahren. Alle Patienten wurden über den Studiencharakter der Behandlung aufgeklärt und willigten in die Studie ein.

Behandlung

Die Behandlung wird ambulant durchgeführt. Nach topischer Anästhesie mit Proxymetacainhydrochlorid-AT 0,5% erfolgt eine Epithelabrasio von 9 mm Größe. Diese Epithelabrasio ist notwendig, damit das Riboflavin ausreichend ins Stroma eindringen kann und die hohe UV-Absorption erreicht wird. Dabei hat Riboflavin (Vitamin B2) zwei wichtige Funktionen zu erfüllen: die Absorption der UV-Strahlung und als Photosensibilisator die Erzeugung von reaktiven Sauerstoff-Spezies (Singulett-Sauerstoff). In Kombination mit UV-Licht bildet Riboflavin Radikale, die die Vernetzungen erzeugen. Riboflavin penetriert gut in das Stroma und schützt so durch Absorption des UV-Lichts die dahinter liegende Linse bzw. Netzhaut. Da das Absorptionsmaximum des Riboflavins bei 370 nm liegt, wurde für die Bestrahlung UVA-Licht dieser Wellenlänge benutzt. Dadurch werden bei der Bestrahlung ca. 95% des UV-Lichts in der Hornhaut absorbiert und für die Linse bzw. die Netzhaut besteht keine Gefahr der Schädigung. 20 min vor der Bestrahlung wird 0,1%iges Riboflavin (Vitamin B2) als Photosensibilisators auf die Hornhaut getropft. Erst nach dieser Zeit wird aufgrund der Diffusion eine ausreichende Sättigung im Stroma erreicht [27]. Danach wird UVA-Licht in einem Durchmesser von 8 mm auf die zentrale Hornhaut appliziert. Die Wellenlänge beträgt 370 nm mit einer Bestrahlungsintensität von 3 mW/cm2. Als UVA-Strahlungsquelle dienen 2 UVA-Leuchtdioden mit einer Strahlungsdivergenz von 10°. Ein UV-Messgerät LaserMate-Q (Laser 2000, Wessling, BRD) diente zur Überprüfung der Bestrahlungsintensität von 3 mW/cm2 vor der Behandlung. Seit 2006 wurde das UV-Bestrahlungsgerät UV-X (Fa. Peschke, Nürnberg) mit ebenfalls 3 mW/cm2 Bestrahlungsstärke verwendet. Während der Bestrahlung von insgesamt 30 min werden im Intervall von 5 min nochmals Tropfen Riboflavinlösung auf die Hornhaut gegeben. Dies hält die notwendige Absorption aufrecht und vermeidet ein Austrocknen der Hornhaut (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Behandlungsablauf einer Kollagenvernetzung mit dem UV-Bestrahlungsgerät UV-X (Fa. Peschke, Nürnberg)

Nach Vernetzung

Nach der Bestrahlung werden eine antibiotische Augensalbe (Ofloxacin®) und epithelialisierungsfördende Vitamin-A-Augensalbe (VitA-POS®) auf das Auge aufgetragen und mit einem Verband abgedeckt. Des Weiteren bekommt der Patient Schmerzmittel verschrieben. Die Vitamin-A-Augensalbe sollte der Patient bis zum epithelialen Verschluss anwenden. Ab dem Tag des Epithelschlusses – im Schnitt am 3. oder 4. Tag nach Behandlung – werden für weiter 3 Wochen steroidhaltige Augentropfen (Fluorometholon®) im Sinne einer antiödematösen und antientzündlichen Nachbehandlung und als Prophylaxe einer möglichen Haze-Bildung verordnet. Bei Oberflächenbenetzungsstörung kann außerdem künstliche Tränenflüssigkeit verschrieben werden.

Nachkontrollen

Kontrollintervalle sind der 1./2. Tag und weitere Kontrollen bis zum vollständigen Epithelschluss, 1 Monat, 6 Monate und 1 Jahr nach der Vernetzung. Danach sind die Kontrollen jährlich, um zu beobachten, wie sich der Keratokonus verhält. Bei der Voruntersuchung und den Nachkontrollen werden die Refraktion und der bestkorrigierte Visus bestimmt. Die Prüfung des bestkorrigierten Visus erfolgte – wenn vom Patienten vertragen – immer mit Kontaktlinse, sonst immer mit Brille. Des Weiteren wurden eine Hornhauttopographie und ein Ultraschall-Pachymetriemapping durchgeführt.

Auswertung

Um den Einfluss der Vernetzungsbehandlung zu quantifizieren, wurden der maximale K-Wert am Apex, der maximale und der minimale K-Wert aus der Topographie in der zentralen 3-mm-Zone sowie der Astigmatismus und der bestkorrigierte Visus erfasst. Die Änderungen berechneten sich aus dem jeweiligen Wert zum entsprechenden Nachkontrolltermin minus dem Wert zum Tag der Vernetzungsbehandlung. Die statistische Auswertung erfolgte mit ANOVA mit Messwiederholung mit dem Programm SPSS 15.

Ergebnisse

In die Auswertung wurden 153 Augen von 111 Patienten mit einer Mindestnachkontrollzeit von 12 Monaten eingeschlossen. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 27,92±17,15 Monaten. Der maximale Nachbeobachtungszeitraum lag bei 7,5 Jahren und die mittlere Follow-up-Zeit bei 27,92±17,15 Monaten.

Der mittlere präoperative bestkorrigierte Visus in logMAR lag bei 0,39±0,31. Die mittleren präoperativen Werte für den Keratometerwert des Apex waren 62,6±12,7 dpt, für den maximalen Keratometerwert 53,7±7,5 dpt und für den Astigmatismus 6,5±4,4 dpt. Alle Werte verbesserten sich signifikant bereits im 1. Jahr nach Behandlung und blieben über den weiteren Nachbeobachtungszeitraum stabil (Tab. 1, Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5).

Tab. 1 Mittlere Änderung der Kontrollparameter nach Vernetzung
Abb. 3
figure 3

Veränderung des bestkorrigierten Visus nach a 1 Jahr (n=153), nach b 2 Jahren (n=68) und nach c 3 Jahren (n=35). „Verbesserung“ entspricht einer Visusbesserung um mindestens eine Zeile

Abb. 4
figure 4

Änderung von bestkorrigiertem Visus (in logMAR) (a) und Hornhaut-Astigmatismus in der zentralen 3-mm-Zone (dpt) (b) über einen Nachbeobachtungszeitraum von 6 Jahren

Abb. 5
figure 5

Änderung von Keratometerwert des Apex (dpt) (a) und maximalem Keratometerwert in der zentralen 3-mm-Zone (dpt) (b) über einen Nachbeobachtungszeitraum von 6 Jahren

Ein Jahr nach Behandlung findet sich eine Verbesserung des Visus um mindestens 1 Zeile bei 48,9% und ein Gleichbleiben des Visus bei 23,8% der behandelten Augen (p<0,01). Der Astigmatismus verringerte sich durchschnittlich um 0,9 dpt (p<0,01), wobei er bei 46% der behandelten Augen um mindestens 0,5 dpt abnahm, bei 30,3% mit ±0,5 dpt stabil blieb. Der Keratometerwert des Apex nahm im Schnitt um 2,28 dpt ab (p<0,01), bei 60,7% der behandelten Augen verringerte er sich um mindestens 0,5 dpt, bei 11% blieb er mit ±0,5 dpt stabil. Der maximale Keratometerwert nahm im Schnitt um 1,35 dpt ab (p<0,01), verringerte sich bei 54,9% um mindestens 0,5 dpt, blieb bei 25,6% mit ±0,5 dpt stabil (Tab. 1, Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5).

Im 2. Jahr nach Behandlung verzeichneten wir stabile Befunde. Der Visus stieg um mindestens 1 Zeile bei 50,7% an bzw. blieb unverändert bei 29,6% der behandelten Augen (p<0,01)). Der Astigmatismus nahm um durchschnittlich 1,18 dpt ab (p<0,01), bei 43,5% der behandelten Augen verringerte er sich um mindestens 0,5 dpt, bei 32,3% blieb er mit ±0,5 dpt stabil. Der Keratometerwert des Apex verringerte sich um durchschnittlich 3,27 dpt (p<0,01), wobei er bei 66,7% der behandelten Augen um mindestens 0,5 dpt abnahm, bei 16,6% mit ±0,5 dpt stabil blieb. Der maximale Keratometerwert nahm im Durchschnitt um 2,07 dpt ab (p<0,01), bei 60,3% der behandelten Augen verringerte er sich um mindestens 0,5 dpt, bei 21,9% blieb er mit ±0,5 dpt stabil. (Tab. 1, Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5).

Drei Jahre nach Behandlung war bei 60,6% der behandelten Augen eine Verbesserung der Sehleistung um mindestens eine Zeile, bei 36,4% ein unveränderter Visus nachzuweisen (p<0,01). Für den Astigmatismus verzeichneten wir im Mittel eine Abnahme von 1,64 dpt (p<0,01), bei insgesamt 53% verringerte er sich um mindestens 0,5 dpt, bei 37% war er mit ±0,5 dpt stabil. Der Keratometerwert des Apex nahm um durchschnittlich 4,34 dpt ab (p<0,01), wobei er sich bei 74,2% der behandelten Augen um mindestens 0,5 dpt verringerte, bei 9,7% mit ±0,5 dpt stabil blieb. Der maximale Keratometerwert nahm im Schnitt um 2,73 dpt ab (p<0,01), bei 62% der behandelten Augen verringerte er sich um mindestens 0,5 dpt, bei 23% blieb er mit ±0,5 dpt stabil. Die Ergebnisse der folgenden Jahre sind unter Berücksichtigung der kleiner werdenden Patientenzahl zu betrachten. Von einer Befundstabilisierung kann dennoch ausgegangen werden (Tab. 1, Abb. 4, Abb. 5, Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Hornhauttopographie eines Patienten, bei welchem an einem Auge Kollagenvernetzung erfolgte. OD im Verlauf nach Kollagenvernetzung und OS ohne Kollagenvernetzung. a OD vor Vernetzung, bestkorrigierter Visus 0,8. b OS, bestkorrigierter Visus 0,8. c OD 18 Monate nach Vernetzung mit Abnahme der Keratektasie um 2,8 dpt, bestkorrigierter Visus 0,8. d OS ohne Vernetzung, Progression des Keratokonus mit Zunahme der Keratektasie um 2,61 dpt innerhalb 18 Monaten, bestkorrigierter Visus 0,4

Komplikationen wie ausbleibende Reepithelisierung, schwere Oberflächenbenetzungsstörungen oder Limbusstammzelldefizienz wurden bei keinem Patienten im Rahmen der Nachbeobachtung gesehen. Ein Patient musste wegen einer Keratitis nachbehandelt werden, die unter der eingeleiteten medikamentösen Therapie jedoch rasch beherrscht werden konnte und folgenlos ausheilte. Wie von Mazzotta et al. [17] und Herrmann et al. [8] beschrieben, beobachteten auch wir vereinzelt subepitheliale Trübungen. Diese regredierten unter lokaler Steroidtherapie jedoch vollständig. Nebenwirkungen wie Endothelzellschäden oder Kataraktbildung sind bei Berücksichtigung der Ergebnisse experimenteller In-vitro- und In-vivo-Studien und klinischer Anwendungsbeobachtungen und den daraus resultierenden Empfehlungen (Hornhautdicke mindestens 400 μm, Behandlungsparameter) [16, 26, 27, 29, 33, 34, 35, 36] nicht zu erwarten.

Diskussion

Es finden sich bisher keine in Patientenzahl und Nachbeobachtungszeitraum vergleichbaren Daten in der Literatur. Wollensak et al. [36] z. B. zeigte in seiner Pilotstudie bei 16 von 22 behandelten Augen mit einer Nachbeobachtungszeit von 3 Monaten bis 4 Jahren nach Vernetzung eine Reduktion der Keratektasie um 2,01 dpt. Caporossi et al. [2] berichtet von einer Regression der Keratektasie von durchschnittlich 2,1 dpt bei einer Kohorte von 10 Patienten mit einer maximalen Nachbeobachtungszeit von nur 6 Monaten nach Vernetzung.

Die Ergebnisse dieser Langzeitstudie weisen darauf hin, dass die Kollagenvernetzung eine effektive Therapieoption für den Keratokonus zu sein scheint. Bereits im 1. Jahr nach der Behandlung konnte im Durchschnitt eine signifikante Abnahme der Keratektasie um 2,29 dpt und eine signifikante Verbesserung des bestkorrigierten Visus um mindestens eine Stufe in 48,9% bzw. ein unveränderter Visus in 23,8% verzeichnet werden. Zwei Jahre nach Behandlung zeigte sich eine signifikante Abnahme der Keratektasie um durchschnittlich 3,27 dpt und eine signifikante Visusverbesserung um mindestens 1 Zeile in 50,7% bzw. ein unveränderter Visus in 29,6%. Im 3. Jahr nach Vernetzung zeigte sich sogar eine durchschnittliche Abnahme der Keratektasie um 4,34 dpt. Der Visus war bei 60,6% um mindestens 1 Zeile verbessert, bei 36,4% unverändert. Obwohl die Anzahl der Patienten mit einer Nachkontrollzeit von länger als 3 Jahren gering ist und damit eine statistische Aussage begrenzt wird, deuten unsere Ergebnisse auf eine langfristige Befundstabilisierung bzw. -verbesserung hin.

Die Visusverbesserung nach Vernetzung lässt sich zum einen auf die Verringerung des Astigmatismus und der Hornhautkrümmung zurückführen und zum anderen auf die Regularisierung der Hornhaut durch die sich ausbildenden Spannungen in der vernetzten Hornhaut, wodurch auch der Sitz der Kontaktlinse verbessert wird. Die bei einigen Patienten verzeichnete Verschlechterung des Visus korreliert nicht mit einer Verschlechterung des K-Werts oder des Astigmatismus. Hierfür sind wahrscheinlich subepitheliale Trübungen verantwortlich. Diese könnten im Sinne der Wundheilung als eine Reaktion auf die erhebliche photochemische Reaktion im Stroma gedeutet werden [8, 17].

Erwähnt werden muss an dieser Stelle, dass die Befunde der Patienten, die im 1. bzw. 2. Jahr nach Kollagenvernetzung eine Visusverschlechterung, Zunahme der K-Werte oder des Astigmatismus aufwiesen, über den weiteren Nachbeobachtungszeitraum stabil blieben, d. h. es gab keine weiteren Veränderungen zwischen der 1. bzw. 2. und der letzten Nachuntersuchung.

Lediglich 3 Patienten mit exazerbierter Neurodermitis wiesen innerhalb des 1. Jahres nach Behandlung eine fulminante Progression auf und erhielten eine Revernetzung. Eine Destabilisierung der Hornhaut sogar mit der Tendenz zur Einschmelzung konnte bereits bei Neurodermitikern nach Keratoplastik gezeigt werden [13]. Der genaue ursächliche Zusammenhang bleibt jedoch bislang unklar.

Wir sahen bei den von uns behandelten Patienten vereinzelt subepitheliale Trübungen, die unter lokaler Steroidtherapie jedoch rasch und vollständig regredierten. Und wir sahen einen Fall einer Keratitis. Auch diese heilte unter Therapie rasch und folgenlos aus. Schwerwiegende Komplikationen wie Endothelzellschäden, persistierende Epitheldefekte oder Kataraktbildung wurden nicht gesehen. Bei Berücksichtigung der Ergebnisse früherer und aktueller experimenteller Studien und klinischer Anwendungsbeobachtungen sowie den daraus resultierenden Empfehlungen bezüglich Hornhautdicke und der zu verwendenden Parameterkonstellation [16, 26, 27, 29, 33, 34, 35, 36] sind diese auch nicht zu erwarten. Wie kürzlich von Mazzotta et al. [16] anhand konfokaler Mikroskopie erstmalig in vivo beim Menschen gezeigt werden konnte, konzentriert sich der zytotoxische Effekt der Vernetzungsbehandlung auf die vorderen 350 μm des Stromas. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass nach dem unmittelbar postoperativen inkompletten Keratozytenverlust bereits im 2.–3. Monat nach Vernetzung eine beginnende Keratozytenrepopulation des Stromas als Ausdruck der Wundheilung einsetzt, die nach 6 Monaten fast abgeschlossen ist.

Aufgrund der guten Ergebnisse der ersten klinischen Studie [36] und aufgrund der entsprechend der Collaborative Longitudinal Evaluation of Keratoconus (CLEK)-Study zu erwartenden Konsequenzen mit Abnahme des bestkorrigierten Hochkontrast-Visus um durchschnittlich 0,3±1,5 Zahlen pro Jahr [5], der Inzidenz einer Hornhautnarbenbildung von 13% in 5 Jahren [1] und Zunahme der Hornhautkrümmung um 0,2±0,8 dpt pro Jahr [18] wurde nach Absprache mit der Ethikkommission bei dem jungen Patientenkollektiv auf einen Vergleich mit einer Kontrollgruppe verzichtet. Wenn aus ethischen Gründen in einer klinischen Studie keine Kontrollgruppe rekrutiert werden kann, dann muss die Information zum spontanen Verlauf der Erkrankung ohne aktive Therapie aus der Literatur entnommen werden [14]. Weiter Studien belegen, dass es ohne Therapie zu einer Verschlechterung des Visus und der Irregularität der Hornhaut bei progredientem Keratokonus kommt [32].

Die bisher zur Verfügung stehenden konservativen und operativen Therapiemöglichkeiten wie Brillenkorrektur, Kontaktlinse, intrakorneale Ringsegmente, Epikeratophakie, Thermokeratoplastik oder lamelläre Keratoplastik können zwar vorübergehend die refraktiven Auswirkungen des Keratokonus behandeln, das Fortschreiten der Erkrankung jedoch nicht verhindern. Langfristiger blieb bislang somit nur die perforierende Keratoplastik. Abgesehen von den möglichen intraoperativen Komplikationen und dem möglichen postoperativ komplizierten Verlauf wie Abstoßungsreaktion, Transplantatversagen, Sekundärkatarakt oder Glaukom sind Keratokonusrezidive der Spenderhornhaut noch nach Jahren möglich.

Mit der Kollagenvernetzung mit Riboflavin und UVA-Licht scheint es nunmehr möglich, durch Erhöhung der biomechanischen Festigkeit der Hornhaut die Progression des Keratokonus zu stoppen oder gar umzukehren und somit möglicherweise den Zeitpunkt einer notwendigen Keratoplastik hinauszuzögern oder gar gänzlich zu vermeiden. Neben den klinischen Vorteilen dieser Behandlung imponieren die ökonomischen und psychosozialen Aspekte. Bei der Vernetzung handelt es sich um eine ambulant durchführbare, minimal-invasive, komplikationsarme, kostengünstige Behandlung, die für den Betroffenen wenig belastend ist. Ganz anders die Keratoplastik: Diese ist ein risikobehaftetes, aufwendiges, kosten- und zeitintensives Verfahren. Der betroffene Patient ist häufig Monate bis Jahre auf eine intensive medikamentöse Nachbehandlung und engmaschige augenärztliche Kontrollen angewiesen und muss sich außerdem meist im beruflichen und privaten Alltag bedeutend einschränken.

Da der Keratokonus nach wie vor keine heilbare Erkrankung ist, die Vernetzungsbehandlung aber die Progression des Keratokonus stoppen kann, sollte möglichst frühzeitig die progressionsaufweisende Keratokonushornhaut vernetzt werden. Möglicherweise kann in Zukunft eine weitere Visusverbesserung durch Kombination mit visusverbessernden Maßnahmen wie intrastromale Ringe [3], topographiegesteuerte PRK [9], Thermokeratoplastik usw. angestrebt werden, wobei dies noch Gegenstand der Forschung ist.